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AutorenbildEthius Invest

ESG-Resolutions auf Hauptversammlungen

Aktionärsdemokratie auf Hauptversammlungen im internationalen Vergleich


Die Einreichung umfangreicher beschlussfähiger Vorlagen zu relevanten und für den Konzern wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen (sog. «ESG-Resolutions») gewinnen auf den jährlich stattfindenden Hauptversammlungen von Konzernen eine immer größere Bedeutung. Investorinnen und Investoren versuchen mit diesem Instrument die Macht der Aktionärsdemokratie zu ergreifen. International bestehen jedoch gravierende Unterschiede bei den rechtlichen Möglichkeiten zur gezielten Anwendung dieses wirkungsvollen Instruments. Dieser Fachartikel beschäftigt sich mit den gesetzlich definierten Mindestkriterien, die zur Einbringung von ESG-Resolutions vorgegeben sind und erläutert länderspezifische Merkmale.

Wenig Einigkeit und hohe Hürden für beschlussfähige Vorlagen in Europa

Um die Unterschiede einzelner europäischer Länder bei der Aktionärsdemokratie zusammenfassend darzustellen, hat die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) in seinem Handbuch der europäischen Hauptversammlungen [1] 15 europäische Länder abgebildet. Hierbei zeigt sich, dass zwar alle untersuchten Länder Aktionären rechtlich die Möglichkeit bieten, eigene Beschlussvorschläge zur Tagesordnung einzubringen, die Voraussetzungen jedoch teilweise weit auseinandergehen. Während in Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden bereits der Besitz einer Aktie dafür ausreicht, benötigen Aktionäre in Belgien, das in dieser Hinsicht als besonders restriktiv zu betrachten ist, mindestens 20% des Grundkapitals eines Unternehmens, um zusätzliche Punkte auf die Tagesordnung zu setzen. Auch Länder wie Frankreich und die Schweiz koppeln die Höhe des für die Einreichung des Beschlussantrags notwendigen Stimmerfordernisses an das ausgegebene Grundkapital des Unternehmens. Insbesondere die Schweiz besitzt hohe Hürden für neue Tagesordnungspunkte, die zur Abstimmung kommen: so müssen Aktionäre, die zusätzliche Beschlussvorschläge auf die Tagesordnung setzen wollen, zusammen Aktien im Nennwert von mindestens 1 Mio. CHF halten.


In Deutschland kann das Rede- und Fragerecht, das neuartige «Say on Pay» , sowie die spezielle Möglichkeit des Gegenantrages zwar das Management zu unangenehmen Antworten drängen, ohne die Abstimmungsmöglichkeit neuer Tagesordnungspunkte ist dies jedoch nur wenig effektiv. In dem Land ist es Aktionären gemäss §122 Abs 2. 2 AktG nämlich nur möglich beschlussfähige Gegenstände auf die Tagesordnung zu setzen, deren Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von 500 000 Euro erreichen. Jedem neuen Gegenstand muss eine Begründung oder eine Beschlussvorlage beiliegen. Das Verlangen im Sinne muss der Gesellschaft mindestens 24 Tage, bei börsennotierten Gesellschaften mindestens 30 Tage vor der Versammlung zugehen.


In Bezug auf die Fristen zur Einreichung von Tagesordnungspunkten gehen die Vorgaben innerhalb Europas ebenfalls weit auseinander, angefangen bei keinerlei Vorgaben in Belgien, bis hin zur Verpflichtung, Anträge bereits mit der bestehenden Tagesordnung veröffentlichen zu müssen, was bedeutet, dass sie mehrere Wochen oder gar Monate vor der Hauptversammlung beim Unternehmen einzureichen sind und sie sich somit nicht auf bestehende Vorschläge der Verwaltung beziehen können. Dies ist in Finnland, Grossbritannien, Niederlande und Schweden der Fall.

Insgesamt beschränkt die stark eingeschränkte Möglichkeit, eigene Beschlussvorlagen auf Hauptversammlungen europäischer Konzerne miteinzubringen, das verbriefte Mitsprache-Recht der Investor:innen. Vor allem Kleinanlegern fehlt in den meisten Ländern Europas die Möglichkeit, von dem Instrument der ESG-Resolutions Gebrauch zu machen, indem eigene Tagesordnungspunkte zur Abstimmung vor dem gesamten Aktionariat gebracht werden. Dies führt dazu, dass es bisher keine vollendete Aktionärsdemokratie gibt und das Ungleichgewicht in der Macht durch eine scharfe Abtrennung zwischen den Investor:innen sowie dem Management eines Betriebes bestehen bleibt.


Innerhalb Europas stellt die Regelung Grossbritanniens eine Ausnahme dar. Sie ermöglicht es ähnlich wie in der Schweiz, dass sich Kleinaktionäre zusammenschliessen, um eine Vorlage einreichen zu können, ohne dass die Hauptversammlung Gefahr läuft, zu einem Sammelbecken für Spezialanfragen zu werden. Aktionäre müssen mindestens 5% des stimmberechtigten Grundkapitals halten oder mindestens 100 Aktionäre, die zusammen mindestens GBP 10'000 nominal halten, sind berechtigt, zusätzliche Punkte auf die Tagesordnung der Hauptversammlung zu setzen [2].



Neuerungen in den USA und ihre Auswirkungen auf Hauptversammlungen


Während die Hürden für eine aktive Beteiligung von Aktionären auf Hauptversammlungen in Europa weiterhin hoch sind und nach Meinung von Ethius Invest abgebaut werden sollen, wurden diese 2020 in den USA leicht hochgeschraubt. Die Gesetzesänderung, nach der zwischen USD 2'000 (für mindestens drei Jahre konstant gehalten) und USD 25'000 (für mindestens ein Jahr konstant gehalten) an Bestand eines Unternehmens notwendig sind, um eine Resolution einbringen zu können, trat dieses Jahr in Kraft. Zuvor waren in US-Unternehmen lediglich USD 2'000 oder 1%, für eine Vorlage oder Wiedervorlage notwendig. Auch die Möglichkeit zu Zusammenschlüssen von Aktionären, um den nötigen Mindestbestand zu erreichen, wie in Grossbritannien, sind nun eingeschränkt. Hiermit soll gewährleistet werden, dass Aktionäre ein ausreichendes wirtschaftliches Interesse an einem Unternehmen haben, bevor sie eine Beschlussvorlage auf einer Hauptversammlung tätigen und Ressourcen von Management und Investor:innen für die Prüfung und Abstimmung über wenig effektive oder durchdachte Vorlagen verwendet werden [3].

Trotz der neuerlichen Einschränkungen ist die Zahl der ESG-Resolutions, die in den USA von Investor:innen auf Hauptversammlungen eingereicht wurden [4], im ersten Quartal 2022 im Gegensatz zum Vorjahreszeitraum um 22% gestiegen und es konnten bereits erste Erfolge auf Seiten der Antragsteller verbucht werden. Einen Rekorderfolg für eine durchgesetzte ESG-Resolution kann die Fastfood-Kette Jack in the Box Inc. vorweisen. Hier stimmten diesen März 95% der Teilnehmer:innen der Hauptversammlung für nachhaltige Verpackungen, obwohl das Management Investor:innen davon abgeraten hatte. Jack in the Box hatte bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Ambitionen gezeigt, sich dem Problem des eigenen ökologischen Fussabdrucks zu widmen und die Nachhaltigkeit seiner Verpackungsmaterialien zu verbessern. Durch den Entscheid ist das Unternehmen nun in der Pflicht, Verantwortung zu übernehmen und seine Bemühungen bei der Verwendung nachhaltiger Verpackungsmethoden voranzutreiben [5].


Die neuerdings in Kraft getretene Gesetzesnovelle scheint sowohl bei der Anzahl der eingereichten ESG-Resolutions als auch bei ihrer Effektivität dem Aktivismus der US-amerikanischen Shareholder keinen Abbruch getan zu haben. Aktionäre organisieren sich, um effektive und durchdachte ESG-Resolutions voranzubringen. Doch seit dem zweiten Quartal 2022 gibt es mehr Widerstand seitens großer institutioneller Investor:innen gegen eine Vielzahl von ESG-Resolutions auf Hauptversammlungen. Der Start des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine und die damit einhergehende mögliche Energiemangellage wird von einigen institutionellen Investoren zum Anlass genommen, bestimmte ESG-Resolutions nicht mehr unterstützen zu wollen. So hat einer der weltweit größten Vermögensverwalter, BlackRock Inc, verkündet, die meisten beschlussfähigen Klima-Vorlagen seien zu extrem und schrieben zu vieles vor [6]. Aus diesem Grund würden sie diese zukünftig nicht mehr unterstützen. Die gegenwärtige Situation mache es für Unternehmen notwendig, kurzfristig in traditionelle Energiegewinnung zu investieren, um die Versorgung sicherzustellen, vor allem Investitionen in fossile Energien sollten deshalb zunächst möglich bleiben. In den vergangenen Jahren ist BlackRock zu einer wichtigen Kraft in Sachen grüner Energie aufgestiegen und unterstützte fast die Hälfte der klimarelevanten Vorlagen von Investoren im Jahr 2021. Seit der Gesetzesänderung in den USA 2022 hat der Vermögensberater jedoch bereits gegen mehrere Vorstöße gestimmt. BlackRock wende sich damit gegen die detailorientierten Anträge der Investor:innen und gegen Beschlüsse, die gegen die finanziellen Interessen der Aktionäre gingen. In einem Beitrag des Harvard Law School Forum on Corporate Governance, wird jedoch betont, dass auch Shareholder mit ESG-Zielen nicht bereit sind, durchgesetzte ESG-Resolutions als Grund für Profiteinbussen zu akzeptieren. Sie streben stattdessen solide ESG-Ansätze an, die in die Strategie eines Unternehmens integriert werden, und langfristige, nachhaltige Gewinne für die Investoren gewährleisten [7].

Fazit Weltweit unterliegt das Einreichen von beschlussfähigen Gegenständen auf der Tagesordnung der Hauptversammlungen großer Konzerne durch Aktionäre teilweise vielen Barrieren, und zwischen einzelnen Ländern bestehen große Unterschiede in der Ausgestaltung der Aktionärsdemokratie. Während sich dem DSW zufolge die Unterschiede in Europa nach der Umsetzung der europäischen Transparenzrichtlinie und der Aktionärsrichtlinie zukünftig angleichen werden und so langfristig die Aktionärsdemokratie in Europa weiter gestärkt werden sollte, bleibt es für Investor:innen eine wichtige Entscheidung, wo Kapital nachhaltig platziert werden kann. Umso relevanter ist es, dass ethisch-nachhaltige Vermögensverwalter den rechtlichen Rahmen kennen und innerhalb ihrer Möglichkeiten agieren. Kontaktieren Sie uns als Asset-Manager gerne für zielgerichtete Zusammenschlüsse für ESG-Resolutions für die Hauptversammlungssaison 2023.


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