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AutorenbildEthius Invest

EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen (CSDDD) auf der Zielgeraden

Rat und Parlament der EU erzielten am 14. Dezember 2023 eine vorläufige Einigung zur Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen (CSDDD) im Hinblick auf Nachhaltigkeit. Zäh rangen unterschiedliche Kräfte im Vorfeld unter anderem darum, wie und in welchem Umfang der Finanzsektor einbezogen werden soll. Nun ist hierzu eine Überprüfungsklausel vorgesehen. In erster Linie zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich zum Beispiel in der deutschen Initiative Lieferkettengesetz organisieren, aber auch Investierende, engagieren sich seit Jahren für Sorgfaltspflichtengesetze – auch auf EU-Ebene. Nun steht ein solches europäisches Vorhaben kurz vor dem Abschluss. Denn der Gesetzgebungsprozess zur entsprechenden Richtlinie, die auf Englisch Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) heißt, nahm mit der Trilog-Einigung Mitte Dezember eine wichtige Hürde. Bevor die CSDDD in nationales Recht umgesetzt werden kann, steht noch die offizielle Zustimmung von Rat und Parlament aus. Die Richtlinie, die zudem als Teil des EU-Aktionsplans Finanzierung nachhaltigen Wachtsums von 2018 und hier konkret von Maßnahme 10: Förderung einer nachhaltigen Unternehmensführung und Abbau von kurzfristigem Denken auf den Kapitalmärkten anzusehen ist, enthält nach Angaben von Rat und Parlament folgende Kernelemente:


  • Das übergeordnete Ziel: Grundsätzlich geht es um den Schutz von Umwelt und Menschenrechten weltweit. Hierfür definiert die Richtlinie Vorschriften zu Sorgfaltspflichten großer Unternehmen mit Blick auf tatsächliche und potenzielle nachteilige Auswirkungen. Dies kann beispielsweise Kinderarbeit, Sklaverei, die Ausbeutung von Arbeitskräften, Umweltverschmutzung, die Abholzung von Wäldern, übermäßiger Wasserverbrauch oder die Schädigung von Ökosystemen sein. Diese Sorgfaltspflichten betreffen die gesamte Kette der Unternehmens-Tätigkeiten, das heißt sowohl vorgelagerte als auch teilweise nachgelagerte wie Vertrieb oder Recycling.

  • Der Geltungsbereich: Die CSDDD wird für EU-Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einem globalen Nettoumsatz von 150 Millionen Euro gelten sowie für Unternehmen mit über 250 Beschäftigten und einem globalen Umsatz von 40 Millionen Euro, sofern sie zu als Risiko-Sektoren identifizierten Bereichen wie Textilien, Landwirtschaft, Bodenschätze oder Baugewerbe zählen. Daneben betrifft die Richtlinie Unternehmen, die nicht aus der EU sind, aber dort drei Jahre nach dem Inkrafttreten der Richtlinie einen Nettoumsatz von 300 Millionen Euro generiert haben. Die EU-Kommission wird eine Liste der in den Anwendungsbereich fallenden Nicht-EU-Unternehmen veröffentlichen.

  • Zivilrechtliche Haftung: Betroffene, zu denen auch Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen gehören, erhalten die Möglichkeit, binnen einer Frist von fünf Jahren Ansprüche geltend zu machen. Unternehmen, die feststellen, dass die Geschäftspraktiken in ihrer Wertschöpfungskette negative Auswirkungen auf die Umwelt oder die Menschenrechte haben, müssen Abhilfe schaffen oder diese Geschäftsbeziehungen als letztes Mittel beenden.

  • Geldstrafen: Zu den Sanktionen gehört, dass der Name des betreffenden Unternehmens öffentlich genannt wird und Geldstrafen von bis zu fünf Prozent des weltweiten Nettoumsatzes verhängt werden.

  • Öffentliche Auftragsvergabe: Die Einhaltung der CSDDD-Bestimmungen könnte als Kriterium für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen herangezogen werden.Transition-Pläne: Unternehmen einschließlich des Finanzsektors werden verpflichtet, einen Plan zu erstellen und zu beschließen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell mit der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius im Einklang steht. Bei Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten sind Verknüpfungen mit dem Entlohnungssystem der Geschäftsleitung vorgesehen.

  • Einbezug des Finanzsektors: Finanzunternehmen werden weitgehend vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen. Doch ist eine Überprüfungsklausel für eine mögliche künftige Einbeziehung vorgesehen.


Die für das Thema leitende EU-Abgeordnete Lara Wolters von der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D) bezeichnete das Gesetz als einen historischen Durchbruch. Die Initiative Lieferkettengesetz äußerte sich ähnlich positiv. Sie spricht von einem Meilenstein für den Schutz von Menschen und Umwelt in den globalen Lieferketten und begrüßt die Einigung ausdrücklich – trotz aus ihrer Sicht bestehenden Schwächen in den Bereichen Klimaschutz und Finanzsektor. Kritik an Sonderbehandlung des Finanzsektors Der Finanzsektor erhalte eine Sonderbehandlung, die nicht nachvollziehbar sei, bemängelt das Bündnis von über 140 Organisationen. Banken und Investoren hätten nach dem Willen der Initiative Lieferkettengesetz dazu verpflichtet werden sollen, bei der Vergabe von Krediten und Investitionen auf Menschenrechte, Umwelt und Klima zu achten. Neben dem Manko beim Finanzsektor greife die Einigung auch bei den Transition-Plänen zu kurz und biete viel Raum für Greenwashing, lauteten weitere Einwände des Bündnisses. Der WWF kritisierte ebenfalls, dass die Richtlinie beim Umweltschutz weit hinter den Erwartungen zurückbleibe. Zudem werde dadurch, dass der Finanzsektor nicht einbezogen worden sei, dessen Rolle als treibende Kraft der heutigen Wirtschaft ignoriert und die Wirksamkeit der Richtlinie erheblich geschwächt. Positiv bewertet die Umweltorganisation hingegen, dass Finanzinstitute Transition-Pläne mit verbindlichen Emissionsreduktionszielen erstellen und umsetzen müssen. Damit sei die CSDDD das erste EU-Gesetz, das von großen Unternehmen aller Sektoren auch konkrete Umsetzungsschritte verlange. Positiv bewertet der WWF außerdem die in der Einigung enthaltenen finanziellen Ansätze zur Umsetzung für Führungskräfte. Dennoch sei zu bemängeln, dass mit Blick auf die Transition-Pläne keine Haftung oder öffentliche Durchsetzung vorgesehen sei. Industrieverbände sehen die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Wirtschaft bedroht Am anderen Ende des Meinungsspektrums finden sich Industrieverbände wie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Dieser hätte am liebsten keine CSDDD. Denn er befürchtet negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit, Versorgungssicherheit und Diversifizierung der europäischen Ökonomie. De Industrieverband zufolge sehen sich Unternehmen nun aufgrund rechtsunsicherer Bestimmungen Sanktions- und Haftungsrisiken ausgesetzt. Dies könne zum Rückzug auf wichtigen Drittländern führen, was sowohl mit Blick auf Menschenrechte als auch die Umwelt kontraproduktiv sei. Der BDI moniert außerdem, dass die CSDDD über das aus seiner Sicht bereits problematische deutsche Lieferkettengesetz (siehe Textkasten) hinausgeht und fordert Rat und Parlament auf, den Kompromiss abzulehnen.


BVI begrüßt die Nicht-Berücksichtigung des Finanzsektors Im Gegensatz zum BDI kann der BVI mit den Bestimmungen grundsätzlich gut leben – vor allem, weil der Finanzsektor nun weitgehend außen vor geblieben ist. Es sei gut, dass das Investmentgeschäft vorerst von der Ausweitung der Sorgfaltspflichten im Rahmen der CSDD ausgenommen werde, zeigte sich der BVI erleichtert und führte begründend an, dass Fondsgesellschaften in der Regel Minderheitsaktionäre seien und daher nur eingeschränkte Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftstätigkeiten ihrer Portfoliounternehmen hätten. Zudem würden Sorgfaltspflichten bereits über die EU-Offenlegungsverordnung und die EU-Fondsrichtlinien adressiert. Ein Dorn im Auge war dem BVI der Artikel 8a (siehe Textkasten) gewesen, den das EU-Parlament neu als Vorschlag in die Verhandlungen eingebrachte. Die Mitgliedsstaaten hatten sich jedoch schließlich über den Rat erfolgreich gegen dessen Aufnahme eingesetzt.  



Auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherer (GDV) zeigte sich zufrieden, dass der Finanzsektor nur insofern Berücksichtigung findet, als ausschließlich die so genannte Upstream-Seite enthalten ist. Damit sind der eigene Geschäftsbetrieb und Zulieferer gemeint. Der Finanzsektor ist hier ähnlich von der CSDDD betroffen wie realwirtschaftliche Unternehmen. Dass hingegen die Downstream-Seite, also die Beziehungen zu Kunden, ausgeklammert bleibt, ist aus Sicht des GDV positiv. Der Verband befürchtet, andernfalls hätte dies für Teile der Realwirtschaft Einschränkungen beim Versicherungsschutz nach sich ziehen können. Offenbar spielt der GDV hier auf Wirtschaftstätigkeiten an, die beispielsweise einen potenziell negativen Umwelteinfluss haben – wie der Bereich der fossilen Energien.


EZB befürwortet den Einbezug des Finanzsektors

Entgegen der Position des Finanzsektors sprach sich die Europäische Zentralbank (EZB) genauso wie zivilgesellschaftliche Organisationen und das EU-Parlament für die Berücksichtigung des Finanzsektors aus. So unterstrich Frank Elderson, Mitglied im EZB-Direktoriums, im November 2023 im Rahmen einer Fachkonferenz zu Sustainable Finance, dass er keine Gründe erkennen könne, warum Finanzunternehmen im Kontext der CSDDD anders behandelt werden sollten als andere Unternehmen. Vielmehr fördere der Einbezug die systematische Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten durch Finanzinstitute.

Nun fiel die Einigung offenbar nicht im Sinne von Frank Elderson aus. Die Diskussion wird jedoch spätestens dann wieder aufflammen, wenn die Überprüfungsklausel zum Zuge kommt und eine erneute Bewertung – und mögliche Revision – vorgenommen wird. Zwischenzeitlich wird sich zeigen, inwiefern die Richtlinie, die voraussichtlich ab 2027 von Unternehmen mit 1.000 Beschäftigen und ab 2028 von Unternehmen mit 500 Beschäftigten umzusetzen ist, zu tatsächlichen Verbesserungen beitragen kann. Wer Anschauungsmaterial braucht, worum es genau gehen könnte: Die Initiative Lieferkettengesetz hat Fallbeispiele von Missständen zusammengetragen, die mit Gesetzen wie der CSDDD verhindert werden sollen – etwa Ölbohrungen in einem Nationalpark oder Ausbeutung bei der Produktion von Schuhen. Lieferketten-Management für Investierende von großer Bedeutung


Ganz unabhängig von Gesetzen und den nächsten politisch-rechtlichen Schritten war und ist ein umfassendes und sorgfältiges Lieferketten-Management von Unternehmen für Investierende von großer Bedeutung. Schließlich schlummern in den vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsketten potenzielle soziale, ökologische und finanzielle Risiken. Die CSDDD birgt daher das Potenzial, Investierenden, die von Unternehmen entsprechende Strategien, Maßnahmen und Transparenz einfordern, Rückenwind zu geben. So konnte sich Ethius Invest bei einer Anfrage zum Thema Lieferketten-Management auf der Hauptversammlung der Aurubis AG im Februar 2023 auf das deutsche Lieferkettengesetz beziehen. Die CSDDD deckt sowohl geographisch als auch inhaltlich ein breiteres Spektrum ab und könnte damit die Möglichkeiten auch für Investierende vergrößern.

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