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Partizipation des Aktionariats bei umweltrelevanten Entscheidungsprozessen von Unternehmen

Von Luisa Lange aus dem Private-Magazin 03/2022. #impactinvesting #sustainablefinance #esg


Partizipation des Aktionariats bei umweltrelevanten Entscheidungsprozessen von Unternehmen

Globalisierung und Nationalstaat

Zu der Debatte über die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen äusserte sich der Nobelpreisträger Milton Friedman, einer der bekannten Verfechter des «Laissez-fair»-Liberalismus, mit dem gleichwohl bekannten als auch provokanten Satz:« The Social Responsibility of Business is to Increase its Profits». Laut Friedman obliegt es dem Staat alleinig, Unternehmen die notwendigen gesetzlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen vor- zugeben, damit diese sich an sozial wünschenswerte Spielregeln halten. Doch welchen Einfluss haben nationale oder europäische Gesetzgebungen auf international agierende Wirtschaftsakteure, die eine Flexibilität und Agilität besitzen, in einer globalisierten Welt stets standortbezogene Aktivitäten dort auszuüben, wo die Gesetzgebung finanziell opportun erscheint? Wie harmonieren globale, ökonomische Interessen von transnationalen Konzernen mit den national und international verabschiedeten Zielen von Klima- und Ressourcenschutz tatsächlich? Dieser Artikel legt eine Perspektive dar, welche Handlungsoptionen die Investorin und der Investor durch das Einreichen umfangreicher beschlussfähiger Vorlagen zu relevanten und für den Konzern wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen (sog. «ESG- Resolutions») auf Hauptversammlungen von börsengelisteten Unternehmen haben können. Das gilt besonders für Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsthemen, die über gesetzliche Rahmenbedingungen nicht klar definiert sind und die durch die negativen Auswirkungen auf die Nachhaltigkeitsbilanz von Unternehmen ein Risiko oder auch Chancen für ethisch- nachhaltige Investorinnen und Investoren aufweisen, als auch eine Relevanz für die Gesellschaft haben. Unternehmenseigentümer sind eine wichtige Instanz von Verantwortungsträgern, die entgegen der globalen Unvernunft, wenn es um Umweltschutz geht, trotz fehlender Gesetzgebung eigene Partizipations- und Einflussmöglichkeiten haben. Dabei veranschaulicht der Artikel, wie Anlageverwalter als auch Investorinnen und Investoren vermehrt von diesem Instrument in der diesjährigen Hauptversammlungssaison Gebrauch gemacht haben und welche Gesetzgebungsinitiative, wenig überraschend, von republikanischen US-Senatoren im Frühling diesen Jahres vorgeschlagen wurde, um die Aktionärsdemokratie im Zeitalter passiver Investmentprodukte künftig zu schützen und weiter zu fördern.

Nachhaltigkeit politisch verordnen?

Die Möglichkeiten, auf Unternehmen Einfluss zu nehmen, sind vielseitig. Das Recht kennt hier bekanntlich drei Mittel zur Einflussnahme. Das stärkste Mittel ist das Verbot, wie es die EU zum Beispiel anhand von Plastiktüten getan hat. Anders verläuft es bei dem Preissignal, bei dem die Tüte etwas kostet; so wird die Regulierung durchgesetzt. Bei der sanften Steuerung wird der Konsument als Akteur mit einbezogen, indem er beispielsweise über die Möglichkeiten zur Verlängerung einer Produktlebensdauer informiert wird, in der Hoffnung, seine Konsumentscheidung und Nutzungsform eines Produktes nachhaltig zu beeinflussen. Mit der Anfang’22 in Kraft getretenen Taxonomie-Verordnung der Europäischen Union hingegen werden «grüne» oder «nachhaltige» Wirtschaftsaktivitäten innerhalb der EU gesetzlich definiert, mit dem Ziel, Finanzströme in «nachhaltige Tätigkeiten» zu lenken und so einen Beitrag zur Erreichung des «European Green Deals» zu leisten. Unter Anwendung der EU-Taxonomie soll anhand von sechs Umweltzielen prüfbar sein, wann und wie ein Unternehmen nachhaltig oder umweltfreundlich wirtschaftet. Dabei steht im Zentrum die ungeklärte Frage, welchen Einfluss die Taxonomie auf die Kreditvergabe und die mögliche veränderte Eigenkapitalunterlegung von «Taxonomiekonformen » vs .« nicht Taxonomie - konformen» Wirtschaftsaktivitäten zukünftig haben wird. Die Entwicklung der Taxonomie und Definitionen einer als nachhaltig eingestuften wirtschaftlichen Tätigkeit wurden von der sog. «Technical Expert Group» mitgestaltet, einer von der EU-Kommission ausgewählten und nicht demokratisch legitimierten Expertengruppe. Diese setzt sich unter anderem aus Vertretern von 32 Organisationen zusammen, aus Bereichen wie Versicherungen, Banken, Medienkonzernen oder NGOs. Der durch die EU-Kommission beauftragte wissenschaftliche Dienst veröffentlichte erste Folgeabschätzungen zum «European Green Deal» für die Agrarproduktion und die Einkommen der Bauern. Der Bericht zeigt bereits unvorteilhafte Entwicklungen der politischen Lenkung für den europäischen Markt. Die tatsächliche Reduzierung von Treibhausgasemissionen würde im europäischen Raum zwar erreicht werden, dabei ist jedoch festzustellen, dass dies vor allem durch Änderung der Produktionsmengen und Produktionsverlagerung ins nicht europäische Ausland zu Stande käme. Innerhalb komplexer globaler Wertschöpfungsketten ist es eine gängige Praxis, Produktionen von Konzernen in Regionen mit geringen Sozial- und Umwelt- standards zu legen. Transnational tätige Konzerne nutzen dabei als Lead-Unternehmen ihre superiore Position im Welthandel. Dies passiert oft zu Lasten ökologischer (E) und sozialer (S) Faktoren entlang der Lieferkette. Zugleich sind die Handelsbeziehungen zwischen diesen Lead-Unter- nehmen und den Produktionsstätten oder Subunternehmen von Spannungen ge- prägt, denn die Marktmechanismen drän- gen Entwicklungsländer in einen brutalen Konkurrenzkampf innerhalb arbeitsintensiver, niedrig technologischer, wenig kapitalintensiver Produktionen mit geringer Einkommensschöpfung, deren Produktionsstandorte meist einfach austauschbar sind und schnell gegeneinander ausgespielt werden können. Ein mögliches zukünftig verabschiedetes europäisches Lieferkettengesetz analog zu dem am 1. Januar 2023 in Deutschland in Kraft tretenden Lieferkettenstandortgesetz (LkSG) könnte demnach auf diesem Pfad der zentralistisch geplanten Transformation zu mehr Nachhaltigkeit wenigstens eine sinnvolle, wenn nicht gar notwendige Ergänzung darstellen.

Mitgestalter statt zentraler Autorität

Nachhaltigkeitsthemen sind in vielen Bereichen geprägt von komplexen Ursachen- Wirkungs-Mechanismen und Abwägungen, die eingebettet in individuelle Unternehmensausrichtungen unterschiedliche Entscheidungen fordern. Nicht selten ist man in der Debatte, Prozesse in der Wertschöpfungskette nachhaltiger zu gestalten, mit Dilemmata konfrontiert: So besteht erfahrungsgemäss häufig bei produzieren- den Unternehmen das Dilemma zwischen Energieeffizienz und Ressourcenschutz oder das Dilemma des Zielkonflikts zwischen sozialen und ökologischen Risiken. Das Wagnis einer zentralen Definition von dem, was nachhaltig ist und was nicht, be- steht somit nicht nur darin, dass ein enormer bürokratischer Apparat von Nöten wird, sondern auch darin, dass ein kritischer Diskurs innerhalb von Organisationen und relevanten Stakeholdern über das, was eine nachhaltige Entwicklung aus- zeichnet, eingeschränkt wird. Denn eine anregende, kreative Auseinandersetzung ist dort, wo feste Regeln und technische Standards über falsch und richtig bestehen, nicht mehr gefragt und gefördert.


Mit ESG-Aktionärsanträgen gegen Marktversagen vorgehen


Während das Einreichen beschlussfähiger Gegenstände auf der Tagesordnung der Hauptversammlungen grosser Konzerne teilweise nationalen Unterschieden und Barrieren unterliegt, entdecken immer mehr Investorinnen und Investoren das Instrument für sich und versuchen damit die Macht der Aktionärsdemokratie zu ergreifen. Somit gab es gemäss dem US-Dienstleister Georgeson auf den diesjährigen Hauptversammlungen der Unternehmen, die in dem US-amerikanischen Index Russell 3000 enthalten sind, eine Rekordzahl an Anträgen zu Umwelt-, Sozial- und Governance- Themen über die abgestimmt worden ist. Im Bericht «Early Proxy Season Review 2022» zeigt der Aktionärsdienstleister, dass Aktionärinnen und Aktionäre zwischen dem 1. Juli 2021 und dem 16. Mai 2022 924 ESG-Aktionärsvorschläge bei Unternehmen eingereicht haben, verglichen mit nur 837 in der Saison 2021 und 754 im Jahr 2020. Der Bericht zeigt hingegen auch, dass die Zustimmung der Aktionäre für die Vorschläge, die sich speziell auf Umwelt- und Sozialfragen beziehen (E & S), über die in diesem Jahr bisher abgestimmt wurde, deutlich gedämpfter war. Zum Beispiel wurden Umweltanträge bei Finanzkonzernen, die forderten, die Finanzierung von Projekten mit fossilen Brennstoffen einzustellen, alle abgelehnt. Bis dato konnten 14 solcher Anträge bei 12 US-Finanzkonzernen beobachtet werden. Die meisten An- träge in dieser Kategorie (13 von 14) be- ziehen sich auf das «Net-Zero by 2050»- Ziel der Internationalen Energieagentur. Dieses sieht vor, die weltweit emittierten Kohlenstoffdioxid-Emissionen in der Sum- me bis 2050 auf Netto-Null zu reduzieren. In diesem Zusammenhang fordern die An- träge, dass die betreffenden Unternehmen von Finanzierungs- oder Zeichnungstätigkeiten Abstand nehmen, welche mit dem Szenario unvereinbar sind. In der Praxis fordern die Anträge effektiv ein Ende der Finanzierung oder Übernahme neuer Projekte für fossile Brennstoffe. Bis diesen Sommer konnten Abstimmungsergebnisse für sieben solcher Vorschläge beobachtet werden. Keiner hat eine Unterstützung von mehr als 12,8% des Aktionariats erhalten. Dieses Beispiel veranschaulicht die Wichtigkeit von demokratisch gebildeten Mehrheiten im Aktionariat, die durch die Stimmen der Investorinnen und Investoren gebildet werden können und zeigt ebenso die Macht von Mittelmännern wie z.B. Stimmrechtsvertretern, die heutzutage oftmals von passiven Investment-Produkten wie z.B. ETF-Anbietern beauftragt werden. Es kommt aufgrund des Abstimmungsverhaltens der Stimmrechtsvertreter und Mittelmänner, welches nicht als repräsentativ für jenes der tatsächlichen Investorinnen und Investoren angesehen werden kann, wenig überraschend, dass der republikanische US-Senator Dan Sullivan aus Alaska Mitte Mai diesen Jahres eine Gesetzesinitiative präsentiert hat, die Anbieter von Investmentprodukten gesetzlich verpflichten soll, Investorinnen und Investoren in das Abstimmungsverhalten miteinzubeziehen. Durch den sog. «Index Act» soll somit das Stimmrecht den tatsächlichen Aktionärinnen und Aktionären der Konzerne zurückgeben werden. Dadurch würde die Demokratisierung von Investitionen gefördert und die Konsolidierung der Stimmrechte an Unternehmen bekämpft werden. Es ist jedoch aufgrund der stockenden partei- übergreifenden Zusammenarbeit höchst unwahrscheinlich, dass die Gesetzgebung in absehbarer Zeit den Weg durch das Repräsentantenhaus und den US-Senat finden wird. Bis eine ähnliche Gesetzinitiative auch im europäischen Kontext aufgenommen werden könnte, obliegt die Verantwortung den Investorinnen und Investoren, Eigeninitiative zu ergreifen, indem beispielsweise solche Kollektivanlagen identifiziert werden, deren Initiatoren die Stimmrechte mit der gebührenden Sorgfalt und im Einklang mit den eigenen Werthaltungen ausüben.

Fazit

Unternehmen haben durch ihr wirtschaftliches Handeln und dessen Folgen auf Menschen und Natur einen hohen Einfluss über den Erfolg oder Misserfolg unseres Gemeinwesens im 21. Jahrhundert. Nut- zen Sie daher als Aktionariat Ihren positiven Einfluss auf die Unternehmen. Die Fragen nach den Bedingungen und Voraussetzungen einer intakten Aktionärsdemokratie bleiben dabei weiterhin, je nach dem Domizil des jeweiligen Konzerns und den daraus resultierenden länderspezifischen Rahmenbedingungen, kontrovers, aber nicht weniger substanziell.



Der Original Beitrag kann hier eingesehen werden.



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